Tischtennis Bezirk Heilbronn - Bericht: F r i s c h k l e b e n <br>aus dem aktuellen DTTB-Newsletter ......

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aus dem aktuellen DTTB-Newsletter ......

Nachfolgend für Euch (auch zur Weitergabe im Verein) ein Artikel zum Thema
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Boll und Co.: An die Luft gesetzt
Timo Boll und Co. werden mit Beginn der neuen Bundesliga-Saison im wahrsten Sinne des Wortes an die Luft gesetzt. Durch die Verschärfung des Frischklebe-Verbots in den Hallengebäuden mit dem sofortigen Verlust des nächsten Matches für den Fall eines Verstoßes gegen die Regel müssen sich besonders die Stars der deutschen Szene an massive Umstellungen ihrer Klebe-Rituale gewöhnen und das Schläger-Tuning vor der Tür vornehmen.



"Vielleicht haben manche das Verbot in der vergangenen Saison, als die Schiedsrichter erst noch eine Verwarnung aussprechen konnten, für einen Witz gehalten. Aber ab jetzt ist es ernst", verdeutlicht DTTB-Präsident Thomas Weikert gegenüber Tischtennis Inside die veränderte Situation. Der Jurist stellte außerdem in Aussicht, dass der Verband kurz vor den ersten Aufschlägen in den Oberhäusern und unteren Ligen noch einmal offiziell an die national nunmehr zwingend vorgeschriebene "Luftveränderung" beim Kleben erinnern würde. Weikert setzt allerdings grundsätzlich auch auf die Vernunft der Aktiven: "Ich halte die Spieler nicht für unbelehrbar."



Wenn sich der DTTB-Chef da mal nicht täuscht: "Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich habe aber in der vorigen Saison ganz ehrlich auch noch nirgends gesehen, dass die Spieler draußen geklebt hätten", meinte ein Bundesliga-Profi zu TTI, will jedoch nicht genannt werden.



Die Meinungsführer in der Spieler-Gilde allerdings kritisieren das Frischklebe-Verbot in den Hallen, das der DTTB angesichts momentan nicht auszuschließender Risiken für die Gesundheit vorsorglich schon knapp ein Jahr vor der offiziellen Einführung durch die ITTF am 1. September 2006 und zwei Jahre vor der völligen Verbannung von Klebstoffen mit flüchtigen organischen Stoffen ab dem 1. September 2007 verhängt hat, offen. "Das ist total schwachsinnig. Mir ist klar, dass das gemacht wird, um uns als sauberen Sport darzustellen, aber wie immer hat keiner an die Probleme in der Praxis gedacht: Ist es zu heiß, wird der Belag feucht, und ist es zu kalt, können wir Spieler gerade im Winter schnell krank werden", schimpft Rekordnationalspieler Jörg Roßkopf (Gönnern). Witterungsbedingte Schwierigkeiten bei der Befolgung des Verbots sieht auch der frühere Vize-Europameister Torben Wosik (Frickenhausen): "Wie soll das gehen? Bei Regen hält der Belag doch überhaupt nicht."



Liga-Chef Christoph Reuhl zweifelte den Sinn des Verbots im Gespräch mit TTI generell an: "Das geht völlig an der Realität vorbei. Wenn das Gesundheitsrisiko so groß ist, dürften die Spieler nach den Spielen auch nicht mehr im Restaurant zum Essen gehen, denn da wird schließlich auch geraucht." Zwar ist diese Problematik wiederum auch nicht mittelbar mit dem Tischtennis-Sport in Verbindung zu bringen, doch trifft der Vergleich des Managers vom Vizemeister TTC Frickenhausen den Kern der schon seit Jahren laufenden Diskussion: Wie gefährlich ist das Frischkleben denn nun?



Die ITTF begründet ihre "Null-Toleranz-Politik" mit den Ergebnissen von Studien über die langfristigen Auswirkungen der beim Frischkleben aufsteigenden Dämpfe aus den Lösungsmitteln. Die Resultate der in Auftrag gegebenen Untersuchungen reichten dem Weltverband zur Einleitung des Zeitenwandels, auch um nicht die Zukunft des Tischtennis im Programm der Olympischen Spiele zu gefährden. Die Charta des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) schreibt schließlich vor, dass olympische Sportarten in keinster Weise gesundheitsgefährdend sein dürfen.



Auch Gegenanalysen der international in der FIT zusammengeschlossenen Tischtennis-Industrie mit konträren Ergebnissen konnten die Bedenken der ITTF-Führung nicht zerstreuen. Die Expertisen der FIT würden nur kurzfristige Auswirkungen berücksichtigen, beschied ITTF-Boss Adham Sharara (Kanada) dem FIT-Präsidenten und Joola-Chef Michael Bachtler öffentlich.



Dennoch halten sich die Sorgen in Grenzen. "Ich bin kein Chemiker. Manche sagen aber ja, Frischkleben sei so gefährlich wie Tanken", sagte Bundestrainer Richard Prause zu Tischtennis Inside, fügte allerdings hinzu: "Wenn auch nur die kleinste Gefahr für die Gesundheit besteht, kann es keine Argumente gegen ein Verbot geben."



Den Coach stört denn auch vielmehr der Zeitpunkt des generellen Verbots der derzeitigen Kleber ab 2007. "Wenn man schon die Abschaffung beschließt, dann hätte man den Spielern vor einem olympischen Turnier mehr Zeit für die notwendige Umstellung geben müssen als nur ein Jahr." Das offensichtliche Zugeständnis der ITTF, den Herstellern zur Entwicklung von Klebern auf bedenkenloser Wasser-Basis außer ein Ultimatum zu setzen auch eine letzte "Galgenfrist" zu geben, hält der Ex-Profi für falsch: "Wenn das Frischkleben so gesundheitsschädlich ist, hätte das völlige Verbot konsequenterweise schon zum 30. Juni 2006 beschlossen werden müssen."



Reuhl wiederum, der sich wohl unvermeidliche Szenen vor den Halleneingängen mit pinselnden Spielern und hochinteressiert zuschauenden Fans "besser gar nicht vorstellen" mag, hätte in Sachen Verbot eine Trennung zwischen Profis und dem Rest begrüßt: "Im Amateur- und Jugendbereich kann man sicherlich darüber diskutieren, aber dem Spitzensport tut man damit keinen Gefallen. Aus meiner Sicht ist das insgesamt eine Katastrophe." Roßkopf allerdings, bei seinem Ausrüster in der Woche vor Saisonbeginn in die Tests von Neuentwicklungen im Kleber-Bereich eingebunden, hält von einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft" wenig: "Solch ein Verbot, ob richtig oder falsch, kann nur für alle gelten. Wir Profis sind Vorbild, und gerade für Kinder und Jugendliche besteht wohl das größte Risiko."



Prause macht sich derweil schon Gedanken über bevorstehende Entwicklungen. "Man sollte die entstandene Situation auch als eine Chance begreifen und bereit sein, sich neuen Möglichkeiten zu öffnen", meint der WM-Dritte mit der Mannschaft von 1993 und sinnierte über verschiedenen Szenarien: "Vielleicht kann der Katapult-Effekt auch durch Luftdruck erzeugt werden. vielleicht entwickelt sich bei uns eine Kultur mit verschiedenen Fertigschlägern für die Spielweise der jeweiligen Gegner wie beim Golf für die verschiedenen Löcher, oder vielleicht erfinden die Firmen ganz neue Beläge."



Für die Mannschafts-WM 2006 in Bremen (24. April bis 1. Mai) zeichnet sich unterdessen aufgrund der Vorreiter-Rolle des DTTB in der Frischklebe-Problematik eine paradoxe Situation ab. Ausgerechnet im "sauberen" Land des WM-Gastgebers wird die Weltelite nach den zu diesem Zeitpunkt noch gültigen ITTF-Vorschriften in den Kleberäumen der ehemaligen Stadthalle munter drauflos kleben können. DTTB-Präsident Weikert sieht dazu, auch wenn der Verband nach Angaben von WM-Organisationsleiter und DTTB-Generalsekretär Matthias Vatheuer in Bremen "einen Außenbereich zum Kleben vorgesehen" hat, keine Alternative: "Wir müssen uns nach der ITTF richten."